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Wie hat es sich mit der Unpopularität?

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Wenn Benedikt Sauer, seinerzeit Vorsitzender der Südtiroler Hochschüler:innenschaft und lange Zeit in der Redaktion des Skolast tätig, im Video zum 50. Jubiläum der SH meint: “Der Skolast ist ein Spiegel der Entwicklung der SH”,1 so meint er dies wahrscheinlich im positiven Sinne. Der Skolast, als eine Zeitschrift von und für Studierende, war zur damaligen Zeit Stimm-Pendel der jungen Bevölkerung. Dass der Skolast diese Stellung mittlerweile nicht mehr innehat, ist nicht nur uns als Redaktion bewusst, sondern lässt sich auch an den Zahlen der Einsendungen relativ schnell ablesen. Wenn Sauer ebenda von einem Spiegel spricht, so stellt sich die Frage: Was wird im Jahr 2025 denn gespiegelt? Eine zunehmende Teilnahmslosigkeit unter Studierenden? Ein Desinteresse an der gegenwärtigen soziopolitischen Lage? Die Scheu vor der eigenen Meinungsäußerung? Diese Frage kann von jedem und jeder selbst beantwortet werden.

Eine naheliegende – und wahrscheinlich verhasste – Antwort zur mangelnden Partizipation unter Studierenden kann im Konsumverhalten auf Social-Media gefunden werden. Dort, wo uns das endlose Scrollen längst im Griff hat und langsam tiefer in den Sumpf der Passivität zieht, trainiert man sich gleichzeitig einen Gestus der Oberflächlichkeit an. Von der Plattform gepusht, muss inhaltliche Tiefe auf wenige Sekunden heruntergebrochen werden, wobei in den meisten Fällen ein wesentlicher Teil verloren geht: die Geduld, sich intensiv und kritisch mit gewissen Thematiken auseinanderzusetzen.

So wird auch den Studierenden, denen ein gewisses Denkvermögen nachgesagt wird, langsam der Garaus gemacht und sie verfallen in eine emotionslose Gleichgültigkeit. Wenn eine Antwort auf ein Thema nur mehr ein Prompt entfernt ist – warum sollte man sich selbst anstrengen und wertvolle Sekunden verlieren, die man wiederum in anderes, nichtiges Zeug investieren kann?

Pop(ulus) und Geschmack

Als Negation der Wortwurzel drängt sich das Affix ‘Un-’ in den Vordergrund. Der kleine Zusatz ergreift die Macht über den Begriff und verkehrt dessen Bedeutung. Dabei reichen die etymologische Wurzel zum französischen popularité und dem lateinischen populāritās bzw. populus zurück.2 Populär ist all jenes, das im Volk Anklang findet – Ausgeklammertes fällt an den Rand und frustet ein Außenseiterdasein. 

Dabei beeinflusst der Geschmack der Zeit maßgeblich die Popularität eines Sachverhalts oder einer Tatsache. Ein Beispiel: Der Zweck der so genannten ‘Brot und Spiele’, wie man sie aus der antiken Tradition kennt, war die Belustigung eines schadenfrohen Publikums und wurde aufgrund der Popularität immer wieder aufgeführt. Verdrängt die negativen Seiten der grausamen Menschen- und Tiermisshandlung – der Unterhaltungs-Exzess der Masse schien wichtiger. Heute kann durch die zeitliche, aber auch kulturelle Distanz, ein viel differenzierter Blick darauf geworfen werden. Dabei ist es gerade die Entfernung, die ein größeres Bild erscheinen lässt. Befindet man sich selbst in der Mitte des Geschehens, verwischen die Grenzen und die Wahrnehmung wird schwammig. 

Der Blick in die eigene Pubertät, die bei manchen gerade erst vorbei und bei anderen schon in tiefer Vergangenheit liegt, ist meist begleitet von einem Gefühl der Scham. Modesünden, komische Frisur, seltsame Aussagen: Vieles gehört zum Prozess der Selbstfindung und des Erwachsenwerdens dazu und hinterlässt einen peinlichen Nachgeschmack in der Gegenwart. Das Gefühl der Scham kann in einigen Fällen aber auch von den damals getroffenen Entscheidungen abgeleitet werden. Aus Angst, nicht dazuzugehören, ausgeschlossen zu werden oder in der Popularitätsskala der eigenen Bildungsanstalt nach unten zu rutschen, hat man sich zu Aussagen bekannt, die häufig Ergebnis eines Gruppenzwangs waren. 

Was im Zeitgeist als populär bzw. unpopulär gilt, unterliegt dabei einem kontinuierlichen Wechsel. Wo die Länge solcher Zyklen im vergangenen Jahrhundert meist mehrere Jahrzehnte überspannte, so zeichnet sich die Popkultur der 2020er vor allem durch s.g. “micro trends” aus. Mode, Musik, Unterhaltungsmedien: All diese Dinge unterliegen einem festen Schema von Viralität, Hype und einer anschließenden Flaute. Die Schnelllebigkeit jener Trends deckt sich mit der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne, die uns alle und nicht nur Jugendliche betrifft.

Neben der Kürze jener Trend-Zyklen, herrscht im digitalen Space auch eine starke Parallelität von Ästhetiken. Trennscharfe Abgrenzungen gehen dabei mit Vorurteilen über die Anhänger:innen einer bestimmten “core” oder “aesthetic” Hand in Hand. Diese Kategorisierungen schaffen dabei auf der einen Seite nicht nur Abgrenzung, sondern helfen auf der anderen Seite gerade jungen Konsument:innen bei Selbsterkundung und Charakterbildung.

Die individuellen Meinungen, die durch Social Media parallel voneinander massiv amplifiziert werden, machen die klare Eingrenzung und Definition von (Un-)popularität kompliziert. Wenn alles einer solchen Schnelllebigkeit unterlegen ist, dann wird es auch schwierig mit Gewissheit zu sagen, was sich noch im Zeitgeist befindet und was hingegen schon wieder draußen ist. Gerade in den letzten Jahren hat sich dieser individuellen Selbstentfaltung ein starker Massenkonsum an die Seite gesellt. Die Vermarktung solcher Mikrotrends, sei es durch den Wiederverkauf von ‘vintage’ Klamotten auf gängigen Plattformen oder die billige und schnelle Produktion von Fast-Fashion-Pieces, basiert in beiden Fällen auf einem Faktor von Popularität. Dem Zyklus entsprechend schnell wird das Sortiment und Angebot an seine Nachfrage angepasst – und das Unpopuläre landet wieder am Rand. In diesem Fall über das Blickfeld der westlichen Gesellschaft hinaus, die dadurch der Konfrontation mit den Auswirkungen ihres Konsums entgeht. Wenn man in Sachen popkulturellen Trends ein großes Stück zurücktritt, so fällt auf: was im Jahre 2025 populär scheint, ist alte, aufgewärmte Suppe von vor 20 Jahren – nur wesentlich billiger und nicht mehr ganz so schmackhaft.

Skolast, der Unsympath?

In den vielen Ausgaben des letzten Jahrhunderts hat sich der Skolast immer wieder als Schauplatz von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Lesenden und Schreibenden herausgehoben. So wurde beispielsweise in der populären Rubrik “(Leser)briefe” ausgiebig über Artikel in vorangegangenen Nummern hergezogen, Korrekturvorschläge angebracht, eigene Meinungen abgegeben oder andere Autor:innen angeschwärzt. 

Beim Lesen wird schnell klar: so ganz war man nirgends einer Meinung. Egal ob Literatur-Rezensionen oder politische Artikel, ob Kommentare oder Essay, recht machen konnten es die Schreibenden niemanden. Abseits des Effekts, den die Artikel bei den Rezipient:innen hervorgerufen haben, wurde auch auf inhaltlicher Ebene auf das Unpopuläre gesetzt. Nicht selten standen polemische Geschehnisse im Land im Mittelpunkt und wurden ausgiebig beschrieben oder aber die unpopulären Aspekte unserer Gesellschaft beleuchtet. Auch zu SH-internen Spannungen wurde immer wieder, und für alle Lesenden sichtbar, Stellung bezogen.

Im Skolast war also von jeher ein Plätzchen für das Unpopuläre reserviert. Die bewusste Entscheidung, gerade das Unliebsame oder gar Verhasste zu thematisieren, hatte wahrscheinlich auch Einfluss auf das Bild der Zeitschrift bei der breiteren Öffentlichkeit. Ob es dies auch heute noch hat, ist – und hier schließt sich der Kreis – der Entscheidung der einzelnen Lesenden überlassen.

Wie bereits eingangs ausgeführt, ist die Zahlt der eingesendeten Artikel für die Ausgabe zum Thema ‘Unpopulär’ geringer ausgefallen als gedacht. Auf reichhaltig Diskussion würden wir uns trotzdem freuen!

Fußnoten

1 https://youtu.be/e1jIxWl9lMM?feature=shared&t=975
2 „Popularität“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Popularit%C3%A4t>, abgerufen am 21.12.2024.

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